Webeifer

Der achtjährige Jan hatte sich vorgenommen, beim nächsten Mal eine besonders große deutsche Fahne auf dem breitesten Webrahmen zu weben. Vorsorglich bat er mich: „Wenn ich die Fahne nicht schaffe, möchte ich gern noch ein bisschen länger bleiben, bis ich sie fertig habe. Das hier ist ja nichts, wo man etwas machen muss und sich freut, wenn man fertig ist, das hier ist etwas, wo man sich freut, dass man es machen darf.“

Bevor es zur nächsten Webstunde kam, traf ihn das Missgeschick, dass er sich das Handgelenk brach. Als seine Geschwister es mir erzählten, dachte ich gar nicht weiter nach und bat sie, ihm auszurichten, dass ich Bescheid weiß, dass er nicht mehr zum Weben kommt. Bald darauf traf ich seine Mutter, und sie beschwerte sich: „Nun hat Jan sich schon die Hand gebrochen und jetzt darf er auch nicht mehr zum Weben kommen!“ Ich sagte, dass er selbstverständlich zum Weben kommen darf, aber ich sei der Meinung gewesen, dass es einfach nicht mehr ginge. Jan kam und webte nur mit der linken Hand auf dem breiten Webrahmen die Fahne, so wie er es sich vorgenommen hatte in ausgezeichneter Qualität. Und bleiben durfte er im Atelier so lange er wollte!

 

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